© Photo Winterhoff [Photoatelier], Gießen 1966

Fake-News, Populismus, die Wiederkehr der »starken Männer«, das Ende des Westens: Panikstimmung! Konfusion der Antifa! Besorgte Leitartikel im Feuilleton! Es ist aber müßig, sich buchstabengetreu mit der Programmatik des neuen Autoritarismus auseinandersetzen, die kaum auf den Begriff zu bringen ist, weil sie sich aus widersprüchlichen Leitsätzen, die nur wenig entstellt aus dem Konsensbaukasten konservativer oder sozialdemokratischer Parteiprogramme der letzten Jahre und Jahrzehnte entnommen wurden, zusammensetzen. Wichtiger ist es, den Substanzverlust des Liberalismus wie des Sozialismus — die zwei grundlegenden Ideologien oder vielleicht besser: Weltbilder der bürgerlichen Gesellschaft — unerschrocken zu analysieren. Diese Analyse führt unweigerlich zu einer Beschäftigung mit der endlich-endlosen Ausdehnung des Kapital-Verhältnisses, die Marx einst mit dem Umschlag von formeller in reeller Subsumtion bestimmte.

 

Hierfür entpuppt sich das immer noch nur in Bruchstücken bekannte Werk Heinz Langerhans‘ (1904-1976), das Revolution und Konterrevolution, Faschismus und Stalinismus, Jakobinismus und Totalitarismus unterm materialistischen Geschichtspunkt zusammendenkt, als enorm inspirierend. Diese Webpage ist ihm und seiner Arbeit gewidmet.

 

Heinz Langerhans ist kein Vergessener: Michael Buckmiller, der Korsch- und Abendroth-Herausgeber, der zusammen mit Jörg Kammler 1973 Langerhans eine Lebensbilanz entlockte (»Revolution und Konterrevolution. Ein Diskussion mit Heinz Langerhans«), hat in den Jahren nach seinem Tod immer wieder auf ihn hingewiesen und Texte aus seinem Nachlass publiziert, zuletzt die klandestine Gefängnisschrift »Die nächste Weltkrise, der zweite Weltkrieg und die Weltrevolution« (1934) als Beilage zum fünften Band der Karl-Korsch-Gesamtausgabe (1996). Gerhard Scheit hat in den Jahren darauf diese Schrift zum Anlass genommen, Aussagen der Kritischen Theorie zu schärfen, durch seine Hinweise zirkulierte der Name Langerhans‘ wieder in linken Kreisen. Jan Gerber hat 2004 gemessen am damaligen Forschungsstand eine instruktive Einleitung in die Gefängnisthesen Langerhans‘ vorgelegt und war Teil einer Gruppe, die diese Thesen als Broschüre (»Staatssubjekt Kapital«) publizierten. Hans-Rainer Sandvoß berichtet in seinem Standardwerk der Berliner Widerstandsgeschichte (»Die ›andere‹ Reichshauptstadt. Widerstand aus der Arbeiterbewegung in Berlin von 1933 bis 1945«, 2007) über die Charlottenburger Untergrundgruppe, in der Langerhans führend tätig war. Gerhard Hanloser hat eine grundlegende Bestimmung seiner theoretischen Positionen veröffentlicht (»Ernst Jüngers ›Der Arbeiter‹ und Heinz Langerhans' rätekommunistischer Gegenentwurf«, in »Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit — 19«, 2011), der Schriftsteller und Sozialwissenschaftler Joke Frerichs (joke-frerichs.de) geht in seinen zahlreichen autobiographischen Schriften auf Langerhans ein, dessen Schüler und Freund er war. Diesen Arbeiten haben die auf dieser Seite versammelten Überlegungen viel zu verdanken. Besonderen Dank gilt Michael Buckmiller und Gary Roth: Buckmiller hatte Anfang der 70er Jahre Langerhans als wichtige Quelle seiner damals anhebenden Erforschung von Leben und Werk Karl Korschs gewonnen. Er stand mit Langerhans in intensivem Austausch, aus dieser Zeit hat er mir wichtige Materialien und Texte zugänglich gemacht. Gary Roth, Biograph des Rätekommunisten Paul Mattick (»Marxism in a lost century«, 2014), stieß bei seinen Recherchen auf zahlreiche Bezüge Matticks zu Langerhans, auch er hat mir sein Material zur Verfügung gestellt.

 

In den letzten Jahren sind einige Archiv-Funde geglückt, die den Bestand an Texten und Materialien von und zu Langerhans erheblich erweitern. Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, erstmals eine geschlossene Schriftensammlung zu publizieren. Diese Webpage wird die Arbeit an dieser Werkbiographie begleiten. Sie ist also nicht abgeschlossen, sondern wird in den nächsten Wochen Monaten Jahren mehr und mehr an Material zusammentragen.

 

Felix Klopotek, Köln-Ehrenfeld, 24.4. 2017

 

Noch ein Hinweis: Entscheidend zur Vertiefung und Vervollständigung des Bildes, das wir uns von Langerhans marxistischen Totalitarismus-Thesen machen können, haben Texte und Erinnerungen von
Leo Friedmann beigetragen. Friedmann (1905-1992) ist nun tatsächlich ein völlig Unbekannter, dass die Linke ihn vergessen hat, zeigt die verheerenden Flurschäden des Faschismus an. Er war im europäischen Exil (1933-1939) einer der produktivsten und originellsten rätesozialistischen Journalisten und Aktivisten. Trotzdem taucht er in keiner Exilgeschichte auf (abgesehen von Fußnoten). Langerhans, den Friedmann schon 1931 in Berlin kennengelernt hatte, wurde bei seiner Ankunft in Brüssel 1939 einer seiner engsten Freunde. In den Durchbruchsjahren von Langerhans‘ eigenständiger Theoriebildung — 1941 bis 1944 im us-amerikanischen Exil – haben er und Friedmann eng zusammengearbeitet und gemeinsam Thesen verfasst. Einige entscheidende Thesen Langerhans‘ gehen auf ihn zurück. In nächster Zeit wird diese Seite auch um Dokumente von und zu Friedmann ergänzt.